Wer Triest (it. Trieste, sl. Trst) besucht, stößt rasch auf eine Reihe traditioneller (Alt-Wiener) Kaffeehäuser, die Stadt selbst rühmt sich, „Città del Caffè“ zu sein. Hier haben zudem mehrere bekannte Kaffeeröstereien ihren Ursprung beziehungsweise ihren Sitz – die wohl bekannteste ist das weltweit tätige Unternehmen Illycaffè, welches sich noch immer in Familienbesitz befindet. 

Weniger bekannt ist indes, dass die Ursprünge von Illy zu einem guten Teil im Banat liegen, denn der Firmengründer, Francesco Illy, wurde am 7. Oktober 1892 in Temeswar (rum. Timişoara, ung. Temesvár, sr. Temišvar) geboren und acht Tage darauf in der römisch-katholischen Pfarrkirche der Vorstadt Josefstadt (rum. Iosefin, ung. Józsefváros, sr. Jožefin) auf den Namen Ferencz getauft. Sein Vater war der Tischlermeister János/Johann Illy, geboren 1856 in dem etwa 20 Kilometer südwestlich von Temeswar gelegenen, großmehrheitlich schwäbischen Dorf Neupetsch (dt. auch Ulmbach, rum. Peciu Nou, ung. Újpécs, sr. Ulbeč), seine Mutter, die 1862 als Tochter von Anton und Katharina Rössler geborene Alojzia/Aloisia Rössler (in der Familie meist Luisa oder Luise genannt), stammte aus der Temeswarer Josefstadt; die Eltern hatten 1879 in Temeswar geheiratet. Als Taufpaten werden der Lokomotivführer Ferencz Gill und seine Frau Mária Mühlbach genannt, der Pfarrer, der die Taufe durchführte, war Kaplan Jakab Endresz. Ferencz oder – wie er 1923 in der Todesanzeige seines Vaters János genannt wird – Franz Illy hatte fünf Geschwister, nämlich die Schwestern Amalie, Berta und Matilde sowie die Brüder Josef und Kálmán. 

János Illys Vater, Johann Illy/Illich, stammte aus der nördlichen Batschka, aus dem Dorf Stanischitsch (sr. Stanišić, ung. Őrszállás), wo er 1816 geboren wurde. Irgendwann in den Jahren vor 1838 folgte er einem der jüngeren Brüder seiner Mutter Anna, dem Schmied Georg Umstädter, nach Neupetsch, wo er 1855 in zweiter Ehe die 1832 ebendort geborene Anna Szeler/Seeler heiratete. Der Vater dieses aus Stanischitsch fortgezogenen Johann Illy, ebenfalls Johann, kam 1784 vermutlich im benachbarten Gakowa (dt. auch Gaumarkt, sr. Gakovo, ung. Gádor) zur Welt und lebte spätestens ab 1806 in Stanischitsch; der Vater seiner Gattin Anna, Johann Umstädter, stammte aus Albertshofen in Unterfranken. Wer die Eltern von Johann Illich d. Ä. waren, lässt sich in den Kirchenbüchern nicht feststellen; eine in der Familie Illy selbst kolportierte Abstammung von den Bourbonen ist legendenhaft. 

Die Familie Illy wohnte in der Temeswarer Josefstadt unter der Anschrift Scudier-Platz (rum. Piaţa Scudier, ung. Scudier-tér) Nr. 2. Dieser Platz hieß bis 1881 auf Deutsch Marktplatz und ist heute Teil eines Boulevards mit dem Namen Bulevardul Regele Carol I. Ferencz besuchte von 1898 bis 1902 die Josefstädter Volksschule mit ungarischer Unterrichtssprache. Die Jahreszeugnisse wiesen ihn als einen Schüler deutscher Muttersprache aus, der lobenswertes Verhalten und wechselnden Fleiß zeigte. Im Lesen des Ungarischen und in ungarischer Rechtschreibung steigerte er sich im Laufe seiner Volksschulzeit, am Ende beherrschte er auch die ungarische Grammatik gut, Ähnliches gilt für seine Leistungen im Singen, Zeichnen und Turnen. Nur in Arithmetik blieben seine Leistungen bescheiden. Die besten Noten erhielt er, über die vier Jahre betrachtet, in Erdkunde. In der dritten und vierten Schulstufe wurden auch Lesen und Schreiben des Deutschen unterrichtet; Ferencz schnitt in der dritten Klasse in beiden Fächern mit „gut“ („jó“) ab, in der vierten Klasse im Schreiben mit „gut“, im Lesen sogar mit „sehr gut“ („jeles“). Nach der Volksschule besuchte er die königliche Fachschule für Holz- und Metallbau in Temeswar. In der zweiten Klasse erhielt der als „fleißig“ bezeichnete Schüler die Bestnote im Freihandzeichnen; in Ungarisch, Erdkunde, Geometrie, Geometrischem Zeichnen und technischem Werken schnitt er mit der Note „gut“ ab, in Religion, Naturkunde, Geschichte, Arithmetik und Schönschreiben wurde er mit „ausreichend“ („elégséges“) beurteilt, in Chemie erhielt er die Zwischennote zwei bis drei, die äußere Form seiner schriftlichen Arbeiten wurde mit „sauber“ („tiszta“) beurteilt. Schließlich erhielt er auf der vierstufigen Notenskala als „Allgemeinbenotung“ („általános osztályzat“) eine Drei. 

Ferencz Illy besuchte danach die Temeswarer Schule der Piaristen, eine Eliteschule der Stadt, welche 1790 eröffnet worden war und seit 1849 ein achtklassiges Gymnasium umfasste (mit ungarischer Unterrichtssprache ab 1867). Er ging jedoch nicht den Weg bis zur Matura, sondern absolvierte nur zwei Bürgerschulklassen. 

Nach dem Abgang von der Piaristenschule verließ Ferencz Illy Temeswar und ging nach Wien, wo er sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug. Zwar war das Banater Schwäbische seine Muttersprache, doch gutes Schriftdeutsch musste er, um in der Reichshauptstadt voranzukommen, erst lernen. Der junge Temeswarer besuchte eine Handelsschule mit Perfektionskurs, erlernte das Italienische und wurde im Dezember 1909 von der Gesellschaft für Woll- und Seiden-Industrie Koppe & Wetjen als „Buchhalter, deutscher, sowie ungarischer und italienischer Korrespondent“ mit einem Jahreseinkommen von 2.400 Kronen angestellt. Von diesem Unternehmen erhielt er im September 1913, nachdem er zum Militärdienst einberufen worden war, ein ausgezeichnetes Arbeitszeugnis mit Wiedereinstellungszusage, weil er sich 

durch die tadellose, vorbildlich exakte und gewissenhafte Ausführung aller ihm übertragenen Arbeiten, sowie durch seinen unermüdlichen Fleiss und sein mustergiltiges Benehmen unsere ganz besondere Zufriedenheit erworben hat, so dass wir es sehr bedauerten, dass er zur Ableistung seiner Dienstpflicht aus unserem Hause scheiden musste und wir ihn Jedermann nur auf das Allerwärmste empfehlen können.1 

Illys Kenntnisse und Fähigkeiten, aber auch seine Persönlichkeit wurden später, während des Ersten Weltkriegs, von seinen militärischen Dienststellen ausführlich gelobt: Er „ist intelligent, handelswissenschaftlich und künstlerisch gebildet und hat gutes Auffassungsvermögen, [ein] gewandter, selbständiger Konzipist, guter Stilist, Stenograph, Maschinschreiber, [und er ist] gehorsam, pflichteifrig, sehr höflich und taktvoll“.2 Wegen seiner Buchhalterkenntnisse wurde er in seiner Einheit auch mit Rechnungsführung betraut. 

Franz Illy trat seinen Militärdienst im k. u. k. Infanterieregiment Nr. 61 „Ritter von Frank“ an, dessen Ergänzungsbezirk in der Gegend um Temeswar lag. Er wurde der Regimentsadjutantur als „Hilfsarbeiter“ zugeteilt und als Schreiber eingesetzt – so ereilte ihn der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Man verlegte seine Einheit an die Ostfront; Illy war nun neben den einfachen Schreibgeschäften für die Abwicklung der Feldpost verantwortlich und erhielt für seine Leistungen in Galizien (allerdings erst im April 1917) die Tapferkeitsmedaille in Bronze. Mittlerweile im Rang eines Feldwebels, wurde er im Juni 1915 „in Anerkennung besonders pflichttreuer Dienstleistung vor dem Feinde“ mit dem Silbernen Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Im Grundbuchblatt des Regiments beschrieb man ihn, wie folgt: „ernst, gutmütig, strebsam, gefestigter Charakter“. Kurz nach Beginn des Krieges mit Italien wurde das Regiment an die Isonzofront verlegt, wo sich Franz Illy neuerlich auszeichnete, sodass ihm, nach den Kämpfen um Doberdò (sl. Doberdob), im November 1916 das Eiserne Verdienstkreuz mit der Krone am Bande zugesprochen wurde. 

Während mehrerer Urlaube von der Isonzofront besuchte Franz Illy seine Schwester Amalie/Milly, die im nahen Triest lebte. Sie war mit dem vermögenden Triester Leopold von Puxbaum verheiratet. Während eines Fronturlaubs verliebte sich Franz Illy dort in die angeblich äußerst attraktive Konzertpianistin Vittoria Prandina, die den beiden Töchtern Amalies Klavierunterricht gab. Vittoria Prandina hatte eine interessante Geschichte: Als Tochter des Triester Seefahrers Viktor/Vittorio Berger und der verwitweten Irin Maria O’Brady wurde sie 1893 im südafrikanischen Johannesburg geboren und im folgenden Jahr in Triest (unehelich) auf den Namen Vittoria Antonia Carolina getauft. Sie wuchs bei der Schwester Vittorio Bergers, Elvira, auf, die mit Vittorio Prandina verheiratet war; Vittorio und Elvira Prandina ließen den Namen der Ziehtochter in Vittoria Prandina ändern, was 1906 behördlich genehmigt wurde. Unter diesem Namen ehelichte „Doris“, wie Vittoria Prandina in der Familie gerufen wurde, am 28. Oktober 1920 in Triest Franz/Francesco Illy, der nach dem Kriegsende und dem Zerfall des Habsburgerreiches nicht in seine nunmehr zu Rumänien gehörende Heimatstadt Temeswar zurückgekehrt war, sondern sich auf der Suche nach seinem Glück in der Hafenstadt niederlassen wollte. Dem Paar wurden zwei Kinder geschenkt, Ernesto (geboren 1925) und Hedda (geboren 1927). Die Mutter nahm, nachdem sie herausgefunden hatte, dass sie das Kind ihres „Onkels“ war, nachträglich den Mädchennamen Berger an und ließ dies in den Personenstandsakten „richtigstellen“, was bei den Behörden für einige Verwirrung sorgte. 

Die Verbindungen ins Banat rissen in der Zwischenkriegszeit nicht ab. Johann/János Illy verstarb 1923 in der Stadt an der Bega, seine Frau Aloisia im Jahr darauf; beide wurden auf dem Josefstädter Friedhof beigesetzt, wo 1933 auch Amalie Illy begraben werden sollte, die vermutlich nach dem Tod ihres Gatten in ihre Heimatstadt zurückgekehrt war. Franz/Francesco Illy, der mit seinem Bruder Kálmán, welcher die Möbeltischlerei des Vaters übernommen hatte, in den Zwanzigerjahren geschäftlich in Kontakt stand, blieb in Triest und wurde erfolgreicher Unternehmer. 1933 eröffnete er mit dem Kaufmann Roberto Hausbrandt eine Kaffeerösterei, aus der die nunmehr weltbekannte Firma Illycaffè hervorging. Sein besonderes Verdienst lag in der Entwicklung eines Verfahrens zur Erhaltung des Aromas von gerösteten ganzen oder gemahlenen Kaffeebohnen: Mithilfe von Stickstoff wurde ein Unterdruck erzeugt und der Kaffee hermetisch dicht abgepackt – und zwar in den bis heute unverwechselbaren Metalldosen. Dafür erhielt Illy ein internationales Patent, ebenso wie für die „Illetta“, eine Maschine zur Hochdruckzubereitung des Getränks aus Kaffeepulver (eine Art „Mutter aller Kaffeemaschinen“). Sohn Ernesto übernahm nach dem Studium der Chemie an der Universität Bologna das Unternehmen des Vaters, ehe Francesco Illy am 22. Oktober 1956 in Triest verstarb. Ernestos Frau Anna, geborene Rossi, ist heute Präsidentin der Ernesto-Illy-Stiftung; das nach wie vor in Familienbesitz stehende Unternehmen führt nunmehr ihr Sohn Andrea (geboren 1964) unter Beteiligung etlicher weiterer Familienmitglieder. 

Ob der Firmengründer nun Franz oder Ferencz oder Francesco Illy genannt wurde – die Banater Wurzeln und die deutsche Sprache waren in der Familie auch nach Jahrzehnten nicht vergessen. Andreas Bruder, Riccardo Illy (geboren 1955), – von 1993 bis 2001 Bürgermeister Triests, dann zwei Jahre lang Parlamentsabgeordneter und von 2003 bis 2008 Präsident (Regierungschef) von Friaul-Julisch Venetien – erinnerte sich 2012, dass seine Großmutter Doris eine Vorliebe für Gulasch hatte und im Familienkreis die deutsche Sprache pflegte. Daher habe Riccardos Vater Ernesto zuerst das Deutsche, dann das Italienische erworben, und erst in der dritten Generation, im Falle Riccardos und seiner Brüder Francesco und Andrea sowie der Schwester Anna, sei das Italienische die Muttersprache gewesen und dann erst das Deutsche erlernt worden. Und auch Ferencz Illys Heimatstadt erinnerte sich ihres berühmten Sohnes. 2013 wurde er posthum zum Ehrenbürger Temeswars ernannt, am östlichen Stadtrand trägt heute eine Straße seinen Namen. 

Der Verfasser schuldet der Fondazione Ernesto Illy (Triest) und Dr. Paolo Rumiz (Triest) verbindlichsten Dank für die Überlassung von Materialien, ohne welche dieser Beitrag nicht hätte geschrieben werden können. 

REINHARD REIMANN, Dr. phil., Studium der Geschichte und Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz, Sponsion 2000, Promotion 2017 mit einer Arbeit über die Deutschen in Triest 1880–1920. Derzeit als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache am Vorstudienlehrgang der Grazer Hochschulen tätig. 

  1. Gesellschaft für Woll- und Seiden-Industrie Koppe & Wetjen, Zeugnis für Franz Illy vom 30.9.1913. Privatbestand von Paolo Rumiz (Triest). ↩︎

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