Auch nach der Zerschlagung der „Aktionsgruppe Banat“ 1975, bis zum Zusammenbruch des nationalkommunistischen Ceaușescu-Regimes gab es aus den Reihen damals junger rumäniendeutscher Schriftsteller literarisch trefflich artikulierte Kritik und Widerspruch wie auch bemerkenswert mutigen Widerstand gegen die Repressionen kommunistischer Herrschaft in Rumänien. Ein besonderes Ereignis in diesem Zusammenhang bildete ein Protestbrief an den damaligen Ersten Sekretär des Kreisparteikomitees Temesch/Timiș, Cornel Pacoste, im September 1984, der von Helmuth Frauendorfer, Herta Müller, Richard Wagner, William Totok, Johann Lippet, Horst Samson und Balthasar Waitz unterzeichnet wurde. Der gleich am Anfang dieses Briefes angesprochene Anlass des Schreibens war ein mehrtägiges, von Drohungen und Prügeln begleitetes Verhör Frauendorfers durch Offiziere des rumänischen Sicherheitsdienstes. 

Helmuth Frauendorfer, am 5. Juni 1959, in dem Banater Dorf Wojteg/Voiteg geboren, ehemaliger Schüler des Lenau-Lyzeums in Temeswar/Timișoara, absolvierte 1984 ein Studium der Germanistik, Anglistik und Pädagogik an der Universität Temeswar. Zudem machte er eine Schauspielerausbildung. Bereits ab 1979 veröffentlichte er regelmäßig in verschiedenen deutschsprachigen Publikationen Rumäniens, war verantwortlicher Redakteur der deutschsprachigen Literaturbeilage der Studentenzeitschrift Forum studențesc, in der er übrigens auch frühe Arbeiten von Herta Müller publizierte, leitete eine studentische Theatergruppe, schrieb literarische Texte und bewegte sich in Kreisen kritischer rumäniendeutscher Schriftsteller. So blieb es nicht aus, dass er, übrigens nach mehrfachen erfolglosen Anwerbungsversuchen als informeller Mitarbeiter, seitens der Securitate wegen „staatsfeindlicher Tätigkeit“ beobachtet, bedroht, verhört, geschlagen und mehrere Tage lang festgenommen wurde, was zu dem erwähnten Protestbrief führte. Wie im Falle anderer der Unterzeichner dieses große Aufregung und Verunsicherung der Mächtigen verursachenden Schreibens folgten auch in seinem Falle weitere Repressionen, Veröffentlichungsverbot und Ende 1987 die dadurch erzwungene Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. 

Er ließ sich zunächst als freischaffender Schriftsteller und Dokumentarfilmer in West-Berlin nieder und engagierte sich in der Menschenrechtsbewegung. Bereits 1989 erfolgte mit anderen rumäniendeutschen Schriftstellern und bundesdeutschen Politikern die Gründung des Menschenrechtskomitees Rumänien in der Heinrich-Böll-Stiftung, das er bis 1992 hauptamtlich koordinierte, wobei es ihm um Aufklärung und politische Bildung im Hinblick auf die Menschenrechtssituation in Rumänien und in den kommunistischen Diktaturen in Osteuropa und in der DDR ging. 1990 organisierte er die erste Internationale Menschenrechtskonferenz in Rumänien, mit 500 Teilnehmern aus der ganzen Welt. 

Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft in Rumänien gab Helmuth Frauendorfer zusammen mit Richard Wagner Mitte des Jahres 1990 unter dem Titel Der Sturz des Tyrannen. Rumänien und das Ende der Diktatur in der Reihe „rororo aktuell“, Reinbek bei Hamburg, eines der ersten deutschsprachigen Bücher mit Berichten und Analysen zu diesen folgenreichen Geschehnissen heraus. Der Band enthält unter anderem einen von ihm zusammen mit Herta Müller und Richard Wagner verfassten aufschlussreichen Beitrag über die Machenschaften der Securitate. Danach folgte unter dem Titel Die Demokratie der Nomenklatura. Zur gegenwärtigen Lage in Rumänien (Heinrich-Böll-Stiftung, Köln 1991), ein weiteres Buch von ihm über die damaligen Entwicklungen in Rumänien. Bereits 1990 erschien zudem sein Gedichtband Landschaft der Maulwürfe. Gedichte (dipa Verlag, Frankfurt am Main). 

In der Folgezeit veröffentlichte Frauendorfer literarische, essayistische und journalistische Arbeiten wie auch Rundfunkbeiträge und wurde alsbald als Fernsehjournalist tätig. Vor allem seine Reportagen und Beiträge als fester freier Mitarbeiter der MDR-Redaktion Zeitgeschehen im Rahmen der Magazine „Fakt“, „exakt“, „Windrose“ wie auch „ARD-Kulturreport“, „ORB-Klartext“ unter anderen fielen durch journalistische Professionalität, Sachkenntnis, eindringliche Analysen und kluge Kommentare auf. Nicht selten wurden darin Nachwirkungen der kommunistischen Vergangenheit, gesellschaftliche oder politische Missstände, Fragen des Totalitarismus, Repressionen in kommunistischen Diktaturen oder neue ideologische Gefahren behandelt. In ähnlichen thematischen Bahnen, aber schwerpunktmäßig noch stärker auf Erinnerungskultur und historisches Gedenken fokussiert, bewegte sich seit 2010 seine Arbeit als Referent für politische Bildung und stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Dass seine wissenschaftliche, journalistische und künstlerische Arbeit vor allem das Missfallen, den Ärger und die Feindseligkeit von parteipolitisch zu „Linken“ mutierten und erneut zu Macht und Einfluss gelangten Postkommunisten fand, blieb daher nicht aus. 

Frauendorfers bekanntester und einflussreichster Film dürfte An den Rand geschrieben. Rumäniendeutsche Schriftsteller im Fadenkreuz der Securitate sein, ein 90 Minuten langer, sehr wirkungsstarker Filmbeitrag, zu dem er Buch und Regie zusammen mit Herta Müller, Gerhardt Csejka, Johann Lippet, Horst Samson, William Totok, Richard Wagner und dem Sohn des verstorbenen Nikolaus Berwanger, Harald Berwanger, verfasste und der am 5. Oktober 2010 im Hackesche Höfe Kino, Berlin, Premiere hatte. Aus einer Reihe weiterer Filme oder Reportagen wären zu erwähnen: Der Marsch der Kinder. Auf der Flucht aus Rumänien, Erstsendung: 16. April 1992 in der ARD, Tränen und Trümmer. Glaube und Hoffnung in Sarajevo, Erstsendung ORB, 25. Februar 1996, Der Anfang vom Ende. Reisegruppe 88 in der DDR, ORB, März 1998 und Zentrale des Terrors. Das Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen, (zusammen mit Hubertus Knabe), Uraufführung Juni 2004 als Einführungsfilm für die Gedenkstätte Hohenschönhausen, Erstausstrahlung MDR, 10. November 2004. 

Seit 2020 lebt Helmuth Frauendorfer in Fürth bei Nürnberg und ist als Redakteur und Regisseur der Münchner Produktionsfirma Preview Production tätig. Im Jahr 2021 legte er im Pop Verlag, Ludwigsburg, den erschütternden Roman Abendweg vor, der nicht nur nach Rumänien, zu den traurigen Ereignissen der Deportation einer banatschwäbischen Familie in die Bărăgan-Steppe und den bedrückenden Lebensverhältnissen im realsozialistischen Rumänien zurück führt, sondern uns auch mit den abgründigen Biografien von Stasi-Agenten und insbesondere eines langjährigen informellen Mitarbeiters der Stasi aus dem Westen vertraut macht. Im Erscheinen begriffen befindet sich der Band Photopoesie Phuerth. Gedichte (Pop Verlag, Ludwigsburg 2024), der in Gedichten und Fotos vor allem Impressionen und Reflexionen der Coronazeit festhält. Wir treffen hier erneut auf einen impulsiven, sensiblen und nicht zuletzt kritischen Künstler auf seinem mitunter melancholischen Abendweg, von dessen vielseitigen künstlerischen Tätigkeit wir gewiss noch einiges erwarten dürfen. 

ANTON STERBLING, 1953 in Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare geboren und Mitbegründer der Aktionsgruppe Banat, ist Soziologe und Schriftsteller. Er lebt heute in Fürth. 

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