,,Die Reaktion muss eine gemeinsame sein …“. Der Autor Oleg Serebrian und seine Übersetzerin Anke Pfeifer im Gespräch
von IKGS München
Mit dem Schriftsteller, Historiker, Politikwissenschaftler und Diplomaten Oleg Serebrian spricht Enikő Dácz über seine mehrfachen beruflichen Identitäten und die Herausforderungen, die sich ergeben, wenn man als Historiker und Diplomat einen Roman verfasst. Der Autor berichtet über den inneren Zwang zu schreiben und den langen Weg zum ersten literarischen Buch, hinter dem zunächst ein wissenschaftliches Vorhaben stand.
20. August 2025„Cântecul mării”/„Tango in Czernowitz” erzählt eine Bukowiner Familiengeschichte aus einer Zeit, die in der rumänischen Literatur erst seit kurzem mehr Aufmerksamkeit bekommt. Das Scheitern der multiethnischen Region und des Individuums vor der Geschichte stellen auch Fragen nach dem fehlenden Kollektiv und den Möglichkeiten der Literatur, das kollektive Gedächtnis zu gestalten. Serebrian bietet auch einige Einblicke in die literarische Szene der Republik Moldau.
Anschließend an das Gespräch mit dem Autor schildert Anke Pfeifer die Aktualität des Romans, die sie ins Deutsche übertragen hat. Sie reflektiert die Herausforderungen, die die Mehrsprachigkeit der Bukowina mit sich bringt und erklärt die sonst in Romanen unüblichen Fußnoten.
Oleg Serebrian,1969 geboren, hat neben Geschichte und Jura auch Internationale Beziehungen studiert und sich in Paris, Edinburgh und Birmingham fortgebildet. Nach seiner Promotion in Politikwissenschaften war er Referent im Außenministerium der Republik Moldau, Rektor der Freien Universität Moldau und Gastprofessor an verschiedenen Universitätszentren in Westeuropa und den USA. Er war Botschafter in Frankreich, bei der UNESCO und in Deutschland. Seit 2022 bis 2025, bis zu seiner Ernennung als Botschafter der Republik Moldau in der Türkei, war er Minister für Reintegration.
Sein Roman „Cântecul mării”/„Tango in Czernowitz” wurde mit dem Sonderpreis des Schriftstellerverbands der Republik Moldau, der Roman „Woldemar“ mit dem Preis des Schriftstellerverbands ausgezeichnet.
Weiterführende Links auf Rumänisch:
https://cartier.md/libraria/beletristica/cantecul-marii-3/
Das Transkript zum Mitlesen
ED: Ich habe heute die große Ehre und Freude, mit Oleg Serebrian in Chişinău sprechen zu können. Vielen Dank für Ihre Zeit! Ich weiß, wie kostbar sie ist. Bevor wir ins Detail gehen und über den Roman „Cântecul mării“ und die deutsche Übersetzung „Tango in Czernowitz“ von Anke Pfeifer sprechen, möchte ich Sie der Leserschaft unserer Zeitschrift „Spiegelungen“ kurz vorstellen. Nur ganz kurz: Sie wurden 1969 geboren, sind Schriftsteller, Historiker, Politikwissenschaftler und Diplomat mit einem Abschluss in Geschichte, was sehr wichtig ist und worauf wir später noch zu sprechen kommen, aber ebenso in Jura bzw. mit einem Master in Internationalen Beziehungen. Sie haben sich in Paris, Edinburgh und Birmingham fortgebildet. Nach Ihrer Promotion in Politikwissenschaften waren Sie Referent im Außenministerium der Republik Moldau, dann Rektor der Freien Universität Moldau und Gastprofessor an verschiedenen Universitätszentren in Westeuropa und den USA. Sie waren unter anderem Botschafter der Republik Moldau in Frankreich, bei der UNESCO und in Deutschland, und seit 2022 sind Sie stellvertretender Ministerpräsident für Wiedereingliederung. Auf literarischem Gebiet, über das wir sprechen wollen, aber auch das politische ist sehr wichtig … also auf literarischem Terrain sind Sie bereits seit mehr als einem Jahrzehnt, seit 2013, Mitglied des Schriftstellerverbands der Republik Moldau.
OS: Und seit einen Monat auch in dem in Rumänien.
ED: Herzlichen Glückwunsch! Das wusste ich noch nicht. Sie haben auch eine akademische und publizistische Tätigkeit, für die Sie mit dem Nationalen Orden Stern von Rumänien ausgezeichnet wurden, den französischen Verdienstorden erhielten Sie für Ihr literarisches Debüt mit dem Roman, über den wir sprechen wollen „Tango in Czernowitz“. Sie wurden auch mit dem Sonderpreis des Schriftstellerverbands der Republik Moldau geehrt. Für den Roman „Woldemar“ haben Sie den Preis des hiesigen Schriftstellerverbandes erhalten und 2021 erschien der Roman „Pe contrasens“/„Geisterfahrer“.
Sie stehen in der Reihe der Schriftsteller, die auch als Politiker tätig sind. Diese beiden Berufe scheinen sich, trotz vieler Widersprüche, in gewisser Weise zu ergänzen, wenn man darüber nachdenkt … Es gibt viele Beispiele aus der Geschichte. Wie erleben Sie diesen doppelten oder dreifachen Beruf, wenn wir den akademischen Bereich dazunehmen? Wie erleben Sie sie, schließen sie sich eher aus oder ergänzen sie sich?
OS: Sie sind immer komplementär. Sie haben recht, in Rumänien und in Europa kommen die Schriftsteller oft aus dem politischen, vor allem aber aus dem diplomatischen Umfeld. Ich denke … nach den Ärzten kommen die meisten Literaturnobelpreisträger aus der Welt der Diplomatie. Von Pablo Neruda bis zu Ivo Andrić, der Botschafter in Deutschland war. Mit der Politik … natürlich gibt es in Rumänien drei Beispiele von Schriftstellern, die in verschiedenen historischen Epochen Ministerpräsidenten waren. Und in der Republik Moldau war die Beziehung zwischen Literatur und Politik ganz besonders, denn die nationale Befreiungsbewegung wurde in der Republik Moldau von Schriftstellern ins Leben gerufen, und von 1989 bis 1992 bestand die führende politische Klasse in der Republik Moldau aus Dichtern, Schriftstellern, Dramatikern und Historikern. Ich sehe diese Kombination also nicht als etwas Exotisches an, auch wenn es in letzter Zeit natürlich seltener vorkommt, dass ein Politiker auch Schriftsteller ist. Ich sehe das keineswegs als Nachteil an, zumal ich vor kurzem festgestellt habe, dass Wadim Krasnoselski, der Leiter der separatistischen Region Transnistrien, mit dem ich zu tun habe, ebenfalls einen Roman geschrieben hat. Wir sehen also, dass dies auch in anderen Häusern vorkommt.
ED: Und da stellt sich natürlich immer noch die Frage, ob man in manchen Fällen nicht doch Nachteile hat.
OS: Das ist ein großer Nachteil, denn ein Schriftsteller, der aus einem politischen Umfeld kommt, wird mit Vorbehalt betrachtet. Politiker sind überall unbeliebt. Das ist in Westeuropa so, aber hier ganz besonders. Natürlich ist es etwas Anderes, wenn man eine Arbeit über eine historische oder politikwissenschaftliche Abhandlung schreibt, aber wenn man auch Schriftsteller ist, gibt es immer noch ein gewisses Misstrauen in der schreibenden Zunft. Aber auch in der Öffentlichkeit wird man als Politiker wahrgenommen. Ich bedauere es sehr, und der Verlag bedauert es auch, dass ich nicht unter einem Pseudonym geschrieben habe.
ED: Genau das wollte ich nachfragen. Ich dachte an den Vorfall, als „Pe contrasens“/„Geisterfahrer“ für den Preis der Europäischen Union nominiert wurde.
OS: Als ich in die Politik ging, wurde die Nominierung zurückgezogen.
ED: Sie sind in die Politik gegangen, und dann konnte der Roman nicht auf der Liste stehen, nicht nominiert werden. Da fragte ich mich, warum Sie nicht ein Pseudonym gewählt hatten. Dann las ich, dass Sie darüber nachgedacht haben. Aber was ist passiert, dass Sie sich trotzdem nicht dafür entschieden haben?
OS: Ja, das ist eine Frage, die ich mir auch stelle. Ich glaube, wenn wir mit „Woldemar“ anfangen, wenn „Woldemar“ zuerst gekommen wäre, hätte ich gesagt: Pseudonym. Ich habe mit „Cântecul mării“ als einem Roman begonnen, der den Übergang zwischen mir als Historiker und mir als Schriftsteller vollzog. Und weil diese Verbindung mit Czernowitz und der Bukowina und bestimmten Dingen so offensichtlich war … dass es von jemandem kam, der von dort stammt, wäre ich sowieso sehr schnell enttarnt worden. Ich habe mich damit verbunden, habe meinen Namen genannt.
ED: Sie hätten also eigentlich die Wahl gehabt, ein Pseudonym …
OS: Ich bedaure das sehr, denn wahrscheinlich hätten der zweite und dritte Roman anders ausgesehen, wenn ich sie unter einem Pseudonym geschrieben hätte.
ED: Und wir haben darüber gesprochen, dass die Schriftstellerzunft sozusagen einen gewissen Vorbehalt hat. Oder vielleicht nicht Vorbehalt, nicht Zurückhaltung, nein, aber es ist eine andere Haltung. Wie intensiv ist Ihr Verhältnis zur schreibenden Zunft?
OS: Nun, nicht so intensiv, wie ich es mir wünschen würde, obwohl ich zu gewissen Veranstaltungen des Schriftstellerverbandes gehe. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu allen, auch zur Leitung des Schriftstellerverbandes. Ich fühle mich aber unwohl, wenn ich zu verschiedenen Veranstaltungen des Schriftstellerverbandes gehe, und es ist der Minister, der gekommen ist. Es ist nicht der Kollege, der Schriftsteller, der gekommen ist und der bei ihnen ist.
ED: Es ist eine Art Schizophrenie, wenn man so will.
OS: Ja.
ED: In dem Sinne, dass Sie mindestens drei Personen vereinen. Es gibt den Wissenschaftler, also den Akademiker, den Politiker, und den Autor.
OS: Das ist auch ein Nachteil, denn in der Regierung und in meiner hiesigen öffentlichen Arbeit werde ich oft als Schriftsteller oder als Professor wahrgenommen, und werde oft sogar als „Herr Professor“ angesprochen. Wenn ich in die akademische Welt gehe, werde ich oft als Politiker oder, na ja, als Diplomat betrachtet, aber nicht mehr als einer von ihnen. Und unter den Schriftstellern werde ich als Politiker betrachtet. Ich bin also nirgendwo zu Hause.
ED: Das ist aber auch ein Vorteil, oder? Es verleiht eine gewisse Freiheit. Man muss sich nicht anpassen, weil man, wie wir auf Deutsch sagen, „dazwischen“ ist. Und in diesem „Dazwischen“ kann es auch bequem sein, wenn man es sich bequem macht, d. h. dass man in gewissem Sinne mehr Freiheiten hat. Im literarischen Bereich zum Beispiel kann man seinen Bedürfnissen als Schriftsteller nachgehen. Den eigenen literarischen Bedürfnissen den Vortritt lassen .., würde ich meinen, und Sie müssen sich nicht nach bestimmten Erwartungen richten, die, wenn Sie nur in diesem Bereich tätig wären, einen größeren Druck entwickeln würden. Oder ist das schon zu viel gesagt?
OS: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Natürlich ist die Aufmerksamkeit für einen politischen Schriftsteller eine andere und nicht immer die, die ich mir wünsche. Denn die Kritik, die er bekommt, wird oft durch das Prisma der Politik formuliert.
ED: Sie haben in einem Interview gesagt, dass das Schreiben für Sie eine Notwendigkeit ist, ein spielerischer Impuls. Seit wann haben Sie diesen spielerischen Drang? Sie schreiben also schon seit Ihrer Kindheit. Was passiert mit diesem Impuls, wenn Sie in der Politik aktiv sind und nicht schreiben? Schreiben Sie in Ihrem Kopf oder wie schaffen Sie …?
OS: Ich schreibe in meinem Kopf. Das ist tatsächlich eine Form des Schreibens, ja. Ich denke oft darüber nach, was ich schreiben würde, und so war es auch bei „Pe contrasens“/„Geisterfahrer“, dem ersten Roman, an dem ich sehr lange im Kopf arbeitete und der dann sehr schnell zu Papier gebracht wurde. Natürlich denke und lebe ich meine Themen sehr, sehr lange. Was den spielerischen Drang und die Notwendigkeit zu schreiben angeht … Nun, wir alle haben spielerische Impulse, und ich schaue mir ja auch sehr ernste Politikerkollegen an, die spielen natürlich auch. Ich meine, in gewisser Weise ist es eine Performance und eine Montage von allem, was sie tun. D. h. wir übernehmen aus unserer Kindheit und unseren Kindheitsgewohnheiten sehr, sehr viele Sachen. Ich habe zum ersten Mal ernsthaft darüber nachgedacht, nachdem ich ein ausgezeichnetes Buch gelesen hatte, das inzwischen ein wenig in Vergessenheit geraten ist: „Homo ludens“ von Johan Huizinga ‒ „Der spielende Mensch“. Und in der Tat, wir spielen immer, also wir spielen anders. Der Schriftsteller hat die kreative Freiheit, Gott genauer zu folgen, das habe ich in dem Interview gesagt …. , zu schaffen, seine eigenen Welten zu schaffen, zu erfinden, sie seinen eigenen Erwartungen anzupassen. Der Politiker spielt anders: Er versucht, die reale Welt nach seinen eigenen Vorstellungen zu formen. Der Schriftsteller macht sich nicht mehr die Mühe, das zu tun. Er formt sie oft im Buch. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem sehr angesehenen rumänischen Soziologen und Psychologen, Septimiu Chelcea, einem Universitätsprofessor und ehemaligen Universitätsrektor, der bei der Vorstellung meines Buches „Woldemar“, das eigentlich ein psychologischer Roman ist, sagte: „Nun, mir ist nicht klar, wie viel aus Ihrer eigenen Kindheit darin enthalten ist“. Und ich sagte: „Überhaupt nichts, außer… vielleicht, ich weiß nicht, Sequenzen, Teile“. Und er sagte: „Nein, Sie verstehen mich falsch. Es sind zwei Dinge: die Kindheit, wie sie war, und die Kindheit, wie Sie sie sich gewünscht hätten, oder es gibt eine dritte Kindheit, wie Sie sie sich nicht gewünscht hätten.“ Also wie auch immer, es ist eine Antwort auf das Vorhandensein von etwas in Ihrer Kindheit oder dessen Fehlen oder darauf, wie sie nicht hätte sein sollen. Natürlich sind alle Schriftsteller in gewisser Weise autobiografisch, wenn sie ihre Werke schreiben, und ich erinnere mich auch an diese Gustave Flaubert zugeschriebene Bemerkung: „Madame Bovary bin ich.“ Und ja, jeder Held, jede Figur ist schließlich das Ergebnis unseres Lebens und unserer Erfahrungen.
ED: Auch wenn sie, sage ich mal, verfremdet ist.
OS: Auch wenn sie verfremdet ist, diese Bemerkung von Herrn Chelcea war sehr zutreffend. Er sagt: „Sie verstehen mich falsch. Es kann Ihre Kindheit sein, wie sie war, oder wie sie nicht war, oder wie Sie sie nicht haben wollten.“
ED: Und wenn es ein Spiel ist, dann ist es in Ihrem Fall ein sozusagen sehr ernsthaftes Spiel nach viel Recherche, würde ich vermuten. Der Stempel des Historikers ist in Ihren Büchern sehr ausgeprägt. Wenn wir über „Cântecul mării“/„Tango in Czernowitz“ sprechen, ist es eindeutig, dass für den Hintergrund des Buches viel recherchiert werden musste. Und es würde mich sehr interessieren, wie viel Zeit das im Schreibprozess in Anspruch nimmt? Der Autor und der Forscher … recherchieren Sie sehr viel im Vorfeld, oder wie entwickelt sich der Schreibprozess?
OS: „Cântecul mării“/„Tango in Czernowitz“ entstand fast zufällig, denn ich hatte mir nicht vorgenommen, dieses Buch zu schreiben. Das Buch, das ich während meiner Studienzeit in Nizza zu schreiben begonnen hatte, war „Woldemar“, das ein bisschen anders hätte aussehen sollen.
ED: Haben Sie damals zu schreiben begonnen oder haben Sie schon als Kind geschrieben?
OS: Ich habe schon als Kind geschrieben, ich habe sogar bis heute noch einige der Geschichten aufbewahrt, die ich in der achten, neunten Klasse geschrieben hatte, sozusagen nach dem Vorbild der Science-Fiction-Romane von Arthur Conan Doyle. Er hat nicht nur „Sherlock Holmes“ verfasst, sondern schrieb auch ein bisschen Science Fiction. Aber ja, es war eine längere Geschichte mit „Woldemar“ und den Schreibversuchen. Später habe ich aufgehört … Noch später nahm ich es wieder auf. Dann ging es verloren. Dann vernichtete ich das Manuskript. Schließlich erschien „Cântecul mării“/„Tango in Czernowitz“ nach meiner Promotion in Politikwissenschaft und dem Buch „Geopolitica spațiului pontic“/„Die Geopolitik des pontischen Raums“. Da begann meine akademische Karriere und ich hatte ein Forschungsstipendium erhalten. Es war das Ost-Programm der Soros-Stiftung in Czernowitz. Ein einmonatiger Forschungsaufenthalt in Archiven. Ich sollte nach dieser Recherche einen Bericht schreiben, und natürlich wäre dieser Bericht, wenn ich ihn geschrieben hätte, von mir gelesen worden und vielleicht noch von dem Programmkoordinator der Stiftung, wenn er Zeit gehabt hätte. Aber die Materialien, die ich über das Leben der Familien in Czernowitz gefunden habe, einschließlich der Kopien der Briefe, weil die KGB-Archive gerade ‘96/‘97 geöffnet worden waren, waren so interessant, dass ich dachte, wenn man sie in einen Roman übertragen würde, wäre die Wirkung sicher eine andere. Auf diese Weise, wie soll ich es sagen … wahre Geschichten, literarisch selbstverständlich versüßt und in das Ambiente der Erinnerungen, die ich in meiner Familie hatte, eingebettet. Das hat mich Professor Klaus Bochmann gefragt, ob darin auch eigene Familienerinnerungen sind. Es ist eher die Atmosphäre von Czernowitz der 1940er-Jahre … diese fiktive Erinnerung wurde mir sicherlich eingeprägt. Sie stammen aus den Erinnerungen der Großeltern, Urgroßeltern, Ururgroßeltern, Verwandten, die die Torturen der 1940er-Jahre und 1944 im Gouvernement Bukowina durchlebt hatten. So kam es also dazu … Natürlich recherchiere ich, manchmal sehr pedantisch, denn ich ertappte mich dabei, wie ich in „Cântecul mării“/„Tango in Czernowitz“ schrieb, dass es Vollmond war, und danach sagte ich, dass ich das nachprüfen sollte, ob in dieser Nacht Vollmond oder nicht Vollmond war. Ganz zu schweigen von einer Ungenauigkeit der Wetterdaten, wann es schneite und wann nicht, denn als sie am 27. Februar nach Storojineț/Storoschynez aufbrachen, musste ich nachsehen, ob es tatsächlich schneite.
ED: Czernowitz ist ein sehr bekannter literarischer Topos im deutschen Kontext.
OS: Im rumänischen weniger.
ED: In Rumänien weniger … Aber es ist ein literarischer Chronotopos, über den schon viel geschrieben wurde. In diesem Zusammenhang hat Professor Andrei Corbea-Hoișie in der Zeitschrift „Apostrof“ den Roman literarisch kontextualisiert. Die Möglichkeiten, ihn in einem intertextuellen Kontext zu lesen waren dadurch gegeben, dass es diesen Topos „Czernowitz“ in der deutschen Literatur gibt. War das für Sie ein Hindernis im Arbeitsprozess oder hat es Ihnen eher geholfen oder haben Sie sich nicht damit auseinandergesetzt?
OS: Zunächst einmal wusste ich es in den 90er- und 2000er-Jahren nicht, ich war nicht sehr vertraut mit dem, was in der deutschen Literatur über Czernowitz geschrieben wurde. Ich wusste von Rezzori, ich hatte Rezzori nicht gelesen, aber … wusste nur, dass es ein weißer Fleck in der rumänischen Literatur ist, dass es erzwungen ist … Nach ‘44 wurde Czernowitz wie Bessarabien aus dem kollektiven Gedächtnis und aus allem, was Schöpfung bedeutet, ausradiert. Es ist erstaunlich, dass es in der Literatur auch heute noch leicht vergessen wird.
ED: Und jetzt sind aber mehrere Bücher erschienen.
OS: Sie haben begonnen zu erscheinen, ja …, mehr Bücher. Aber gefühlsmäßig und sachlich ziemlich distanziert von der Stadt.
ED: Würden Sie nicht zustimmen, wenn ich behaupte, dass sie allmählich in die Erinnerung zurückkehrt?
OS: Sie kehrt zurück, aber es ist ein neuer Trend, zumindest in den 00er Jahren gab es ihn sicherlich nicht, auch nicht in Bessarabien. Und unsere Beziehung zu Czernowitz war anders als die Rumäniens in der Sowjetzeit. Und es war sehr erfreulich, dass der Roman nicht so sehr in Rumänien ein Echo fand, in Rumänien hatte er ein bescheidenes und verspätetes Echo, aber hier in Bessarabien wurde er sehr gut aufgenommen. Obwohl die Buchvorstellung in Czernowitz stattfand.
ED: Ja, man könnte den Roman auch als Roman des Scheiterns der multikulturellen Bukowina bezeichnen, oder besser gesagt, ich würde es wagen, ihn so zu nennen. Vielleicht ist es nicht zu viel gesagt, denn das Scheitern der multikulturellen Bukowina veranschaulicht, wie die Geschichte die Schicksale von Individuen und das Leben von Menschen zerstört, die unter anderen Umständen in der Lage gewesen wären, viel mehr zu werden als sie geworden sind. Die Widersprüche der Figuren, ich denke an Filip und Marta Skavarowksi, die aus völlig unterschiedlichen sozialen Milieus kommen, sind sehr minutiös geschildert und müssen sozusagen ertragen werden. Denn ich würde sagen, und das ist jetzt die Übersetzung aus dem Deutschen: Der k.u.k.-Nostalgie steht thematisch die Aggressivität oder die Erbarmungslosigkeit des Kriegs und des Kontextes gegenüber. Und es gibt sehr viele Gegensätze im Roman. Also die Gegensätze: Dorf ‒Stadt, reich ‒ arm werden skizziert samt den Widersprüchen. Selbstverständlich werden sie in einer sehr brisanten Situation mit vielen Nuancen und sehr minutiös in einer Welt geschildert, die bereits aus den Fugen geraten ist oder fast aus den Fugen geraten ist. Ich erinnere in dieser Hinsicht an den Zerfall und den Rhythmus des Meeres, der in sehr vielen Varianten sozusagen als Topos auf einer leitmotivischen Ebene präsent ist. Während der Lektüre habe ich mich immer wieder gefragt, welche Chancen der Einzelne angesichts der Absurdität bzw. der Grausamkeit eines Krieges oder eines Regimes hat. Was kann also der Einzelne in dieser Situation tun? Wir haben mit Filip und Marta zwei sehr entgegengesetzte Modelle. Welche Möglichkeiten hat eine einzelne Figur angesichts der …?
OS: Natürlich nur ihre eigene Rettung … und zwar innerlich, denn was Marta trotz des Unglücks, der Tortur, die sie durchmachte, schaffte … sie schafft es mehr als Filip, trotz dieses Sturzes, ihre Reinheit zu bewahren. Ich meine, unverfälscht zu sein, denn Filipp macht Zugeständnisse und leider auch die Kirche, und Filipp war ein Vertreter der Kirche. Er tat dies, um in der Bukowina zu überleben. Viele Menschen in der Bukowina und in Bessarabien taten es damals, schlossen den Pakt, um zu überleben und um es relativ bequem zu haben. Es gab nur sehr wenige, die für den inneren Komfort, nicht für den äußeren einige Komplikationen vorzogen. Ansonsten bleibt der Einzelne in Situationen historischer Katastrophen sehr … sehr hilflos. Es ist der kleine Mann, der von Falada so gut beschrieben wurde. Angesichts dieser schrecklichen Umstände wird der kleine Mann von der Geschichte, von der Last der Geschichte erdrückt. Ganz gleich, auf welcher Seite der Barrikade sich die Nation befindet. Das Leid hat weder eine ethnische noch eine politische Farbe. Und wenn man sich ansieht, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist …, und das war eine der Ideen dieses Romans. Das Leid war in diesem Krieg gleichmäßig auf beiden Seiten der Barrikade verteilt. Es gab viel Leid in der Bukowina, auch bis ‘44 gab es viel Leid, aber auch nach ‘44. Und was sehr besonders ist, ist, zum Beispiel der Fall der jüdischen Gemeinschaft. Denn die litt in der ersten Phase sehr viel unter einigen Leuten und dann litten sie sehr viel in der zweiten unter anderen, und zwar ebenso ideologisch wie nicht nur ideologisch.
ED: Der Einzelne hat also keine Chancen angesichts der Geschichte, angesichts des Schicksals.
OS: Vielleicht ist gerade deshalb der Zusammenhalt notwendig, und wir in Europa und unsere amerikanischen Freunde müssen es jetzt auch erkennen, dass die individuelle Rebellion wenig zählt. Der Aufstand muss vereinigend und zusammen erfolgen. Die Reaktion muss gemeinsam gegen alles sein, was das Böse bedeutet. Und sie muss früh erfolgen, denn manchmal ist es zu spät zu reagieren.
ED: Um gemeinsam zu reagieren, erfordert es, sozusagen, eine Art kollektive Identität. In dieser Hinsicht scheint es mir, kann die Literatur zumindest eine Funktion haben, sozusagen, nein … mindestens eine Schlüsselfunktion, wenn sie natürlich gelesen wird.
OS: Ich bin der Meinung, dass die Literatur und die vorgestellten Helden vieler Romane der letzten Zeit … und was wir in der französischen Literatur letztens auch sehen konnten, auch in der deutschen Literatur sowie in der russischen Literatur …, ist das Individuum, das heißt, die Literatur ist sehr individualistisch. Die Gemeinschaft oder das gemeinsame Interesse ist irgendwie am Horizont zu erkennen. Wissen Sie … , es ist wie das Dilemma der Menschenrechte oder des Gesetzes der Menschlichkeit, denn die Menschenrechte können oft mit dem Gesetz der Menschlichkeit im Allgemeinen in Konflikt geraten. Wir opfern also auf, was wir als Kollektiv meinen. Wahrscheinlich wollten wir uns unbedingt von diesem Kollektivismus lösen, den der Totalitarismus jeglicher Art, vor allem in Europa, genährt hat. Und wir haben diesen Durst nach dem Individuellen. Das kann uns leider in die Irre führen und das sehen wir jetzt.
ED: Ja. Aus meiner Sicht, die aus der anderen Richtung ist, ist es in Deutschland klar, warum dies passiert, und dies geschieht auch hier. Aber die Frage ist, wie kann man… was muss getan werden, damit diese Skepsis gegenüber dem Kollektiv, der kollektiven Identität, wenn sie schon nicht verschwindet, so doch zumindest abnimmt? Was kann getan werden?
OS: Es fällt mir sehr schwer zu sagen. Wir bewegen uns hier in einem Bereich der Literaturkritik und der Psychologie. Ich bin kein Cineast, aber was mich an Filmen, insbesondere an amerikanischen Filmen, immer erstaunt hat, ist, dass die Welt von einem Individuum gerettet wird, nicht von einem Kollektiv. Normalerweise ist es der einsame Held, der gewinnt, der alles schafft, und das ist falsch. Ein einzelner Mann kann sich nicht durchsetzen. Wir brauchen ein Kollektiv, wir brauchen eine Gemeinschaft, und ich denke, wir müssen diese Idee des gemeinsamen Widerstands wiederbeleben, auch in der Literatur und nicht nur da. Angesichts des Bösen kann Widerstand nur kollektiv sein.
ED: Und um eine Identität zu haben, um die Konturen einer kollektiven europäischen Identität zu haben, brauchen wir natürlich Übersetzungen und dann sprechen wir über die deutsche Übersetzung von Anke Pfeiffer, die ich bereits erwähnt habe. Sie sprechen hervorragend Deutsch, auch wenn wir jetzt Rumänisch sprechen. Sie haben in Deutschland gearbeitet, und es würde mich sehr interessieren, wie Sie mit der Übersetzerin zusammengearbeitet haben. Wie intensiv war die Arbeit mit Anke Pfeiffer an der deutschen Übersetzung, haben Sie überhaupt zusammengearbeitet?
OS: Natürlich haben wir zusammengearbeitet. Vielleicht nicht so intensiv, wie ich mit Anke hätte arbeiten sollen. Sie war eine sehr akribische Übersetzerin.
ED: Die die rumänische Literatur hervorragend kennt.
OS: Die sich mit der Literatur auskennt und die Sprache beherrscht, obwohl sie gar keinen rumänischen Hintergrund hat. Ich meine, sie hat Rumänisch als Fremdsprache gelernt. Aber … Das kann auch ein großer Vorteil sein. Ich habe einige außergewöhnliche Erfahrungen mit ihr gemacht. Ich bin so akribisch und kenne Czernowitz sehr gut, die Stadt meiner Kindheit. Einmal hat sie mir gesagt: Ich habe auf der Karte nachgeschaut, und von der Regina-Maria-Straße kommt man nicht zur König-Ferdinand-Straße, wie Sie beschreiben, also muss sie korrigiert werden. Und es gab eine weitere interessante Situation mit den Mimosen. Als ich ein Fragment über Zara schrieb, über Martas Reise nach Dalmatien war ich in Nizza, ich war Gastprofessor in Nizza, und es war März. Es war Frühlingszeit, in der die Mimosen blühten, und in meinem Zimmer konnte man diese Mimosen sehen, und ich ging oft zum Marché aux fleurs, wo es viele Mimosen gab und diesen Geruch von Fisch. Nizza ist eine ehemalige historische italienische Stadt, die Stadt von Garibaldi, und ich habe diese Atmosphäre von Nizza und dem Monat März, in die Atmosphäre von Zara aufgenommen, die auch italienisch war. Worauf Frau Pfeiffer, als sie diese Übersetzung machte, sagte: Nun, Sie sprechen von einer Reise im August, und ich sage: Ja, es ist August. Sie sagt: Mimosen blühen nicht im August, und so war es dann auch. Ich merkte tatsächlich, dass ich eine Realität, die ich aus dem Fenster betrachtet hatte, in den Roman übertragen hatte, aber es war August. Ich meine, ich habe dieses Detail übersehen. Sie war also eine sehr, sehr akribische Übersetzerin, nicht nur sprachlich, sondern auch in Bezug auf die Situation, die Geografie und die Daten. Ich habe sehr gerne mit ihr zusammengearbeitet, und ich hatte auch das Glück, meine polnische Übersetzerin Radoslawa Janowska zu haben, die einen anderen Roman übersetzt hat und ebenfalls eine hervorragende Übersetzerin war. Für einen Autor ist es sehr wichtig, übersetzt zu werden, denn manchmal kann die Übersetzung den Roman noch besser machen als das Original. Sonst habe ich sehr viele Romane gesehen, die z. B. aus dem Russischen oder sogar aus dem Französischen ins Rumänische übersetzt wurden, und ich habe festgestellt, dass bei der Übersetzung sehr viel verloren gegangen war.
ED: Wahrscheinlich … ich würde vermuten, dass es ihr sehr viel geholfen hat, dass sie selbst Forscherin ist. Und so hat sie sozusagen auch diese doppelte Schuld.
OS: Also … Forscherin und Übersetzerin, nicht nur Kennerin der Sprache.
ED: Ja, und wir haben jetzt über Identitätsdiskurse gesprochen und darüber, dass die Übersetzung ein Medium sein kann, das eine Brücke zwischen den Literaturen schlägt oder baut. Dazu muss das Buch natürlich gelesen werden. Mich würde sehr interessieren, wie Sie es sehen, wie viel wird hier in der Republik Moldau derzeit gelesen? Welche Chancen hat die Literatur ein Medium für diese kollektive Identität zu werden?
OS: Im letzten Jahrzehnt hat es einen sehr wichtigen Schritt nach vorn gegeben. Die Literatur in Bessarabarabien hat sich in gewisser Weise vom sozialistischen Realismus und von den alten Traditionen gelöst. Vor allem dank der Generation der achtziger Jahre mit Vitalie Ciobanu, Vasile Gârneț und anderen, die den ersten Anstoß gegeben haben, und wir können jetzt sagen, dass die moldauische Literatur zu einer Literatur geworden ist, die in gewisser Weise auf europäischer Ebene sichtbar ist. Dank Tatiana Țîbuleac, dank anderer Schriftstellerkolleg:innen, die in verschiedene Sprachen übersetzt worden sind. Wir beginnen, literarisch mit etwas in Verbindung gebracht zu werden. Auch in Rumänien haben wir begonnen, bekannt zu werden, denn zuvor war die rumänische Literatur in der Republik Moldau eher durch das politische Prisma bekannt. Die Politiker und nicht die Schriftsteller Valeriu Matei, Nicolae Dabija, Ion Hadârcă, Leonida Lari, hatten eher einen Namen. Daher denke ich, dass ihr literarisches Schaffen von der politischen Tätigkeit etwas überschattet wurde. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Menschen heute im Allgemeinen viel weniger lesen als noch vor 40, 50 Jahren, weil wir so viele andere Möglichkeiten haben. Das Internet hat nicht nur das Fernsehen zerstört. Wir müssen feststellen, dass auch das Lesen, die Bücher im Allgemeinen, die gedruckten Bücher sehr gelitten haben. Es ist das elektronische Buch, das zunehmend an seine Stelle tritt. Es wird zwar viel gelesen, aber auf eine andere Art und Weise. Man kann nicht sagen, dass die Menschen weniger lesen. Es wird anders gelesen, etwas anderes, ein anderer Text. Es wird nicht nur anders geschrieben, es wird auch anders gelesen und die Menschen passen sich dieser Autorschaft sehr an. Wir haben jetzt auf der Leipziger Buchmesse gesehen, dass sich die Autor:innen mit Manga und mit allen möglichen anderen Dingen auf diese neue Art des Lesens einstellen.
ED: Ja, wie sehen Sie die Literatur? Welche Themen oder Aspekte bezüglich dieser kollektiven Identität sind noch nicht so gut thematisiert? Über Deportation wurde schon geschrieben.
OS: Es wurde schon geschrieben, aber doch weniger …
ED: Was, würden Sie sagen, fehlt noch? Das frage ich, und zwar vor dem Hintergrund, dass es jetzt mehr übersetzt wird, wie sie auch gesagt haben. Wir haben mit Tatiana Țîbuleac auf ….
OS: …. Aber auch Dumitru Crudu, Iulian Ciocan, Iulian Fruntașu, Moni Stănilă …
ED: Ich weiß, dass Ernest Wichner jetzt an einer Übersetzung von Frau Rațius „Sfârșitul lumii e un tren“/„Das Ende des Leben ist ein Zug“ arbeitet. Es gibt also mehrere Prozesse am Laufen. Was sind aber die Fragen, die noch nicht thematisiert sind und die aus dieser Perspektive wichtig wären?
OS: Sagen wir die Kollektivierung ist etwas, das in der Literatur nicht vorkommt.
ED: Warum, was meinen Sie?
OS: Ich denke, jemand, der ein sehr fundiertes historisches Wissen hat, muss sich mit so etwas beschäftigen. Die Frage gibt es nicht, obwohl es ein sehr, sehr interessantes Thema ist. Fănuș Neagu hat darüber in Rumänien während der kommunistischen Zeit geschrieben. Das gibt es bei uns nicht. Der Hunger kommt vor, aber er wird nur sehr oberflächlich behandelt. Wenn wir zum Beispiel über den Holocaust sprechen, dann ist das ein Thema, das manche Leute für überstrapaziert halten. Ich denke, es gibt Aspekte, die überhaupt nicht behandelt wurden. Für uns in diesem Gebiet ist zum Beispiel die Roma-Frage, insbesondere in Transnistrien, ein Thema, das wieder einmal völlig vergessen wurde. Und dann sind da noch die Identitätsgeheimnisse, die wir gehabt haben. Aber Frau Tatiana Țîbuleac, Herr Crudu und viele andere sprechen sie an, also kommen sie zur Sprache. Ich kann sagen, dass sie in unserer Literatur immer wieder auftauchen.
ED: Es gibt also noch eine Menge Themen … und dann warten wir auf den neuen Roman, der ins Deutsche übersetzt werden muss, damit wir diesen Dialog fortsetzen können. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ich hätte gerne noch etwas mehr über die Rolle der Gegenwartsliteratur in der Republik Moldau und den Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg, der eine andere Art von Krieg ist, gesprochen. Aber ich schaue auf die Uhr und weiß, dass wir das leider nicht machen können. Ich hoffe sehr, dass wir die Diskussion in dieser Hinsicht fortsetzen können. Es gäbe noch eine Menge Themen, nicht nur zum Schreiben … auch zum Diskutieren für unsere „Spiegelungen“-Leserschaft.
OS: Wir sehen uns wieder in Deutschland oder in der Republik Moldau.
ED: Vielen Dank für Ihre Zeit.
OS: Vielen Dank auch meinerseits!
Transkript Pfeifer
ED: Ich darf nun mit Anke Pfeifer über die Übertragung des Romans „Tango in Czernowitz“ von Oleg Serebrian sprechen. Danke, dass Sie die Einladung angenommen haben.
AP: Ja, schönen guten Tag Frau Dácz. Ich freue mich auch sehr und freue mich sehr, über meine Übersetzung des Romanes sprechen zu können und ihn so auch ein bisschen bekannter zu machen.
ED: Ich würde Sie gerne noch unseren Lesern ganz kurz vorstellen. Sie sind promovierte Romanistin mit Schwerpunkt auf rumänische Literatur und Kultur. Sie sind Übersetzerin, Herausgeberin mit langjähriger Forschungserfahrung und Lehrtätigkeit an verschiedenen Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten in Berlin, Frankfurt an der Oder, Potsdam, u. a. Sie hatten auch Lehraufträge, u. a. an den Universitäten Leipzig, Jena, Bukarest, Wien. Ich habe sicherlich etwas aus der langen Liste vergessen, aber hoffe, dass ich die wichtigsten Stationen genannt habe. Und die Leserschaft unserer „Spiegelungen“ kennen Sie auch aus mehreren Beiträgen bei uns, auch aus Rezensionen, die Sie ebenso für andere Literaturzeitschriften schreiben.
Ich würde unser kurzes Gespräch gerne mit der Frage beginnen, wann und wie Sie dazu kamen, literarische Übersetzungen zu übernehmen und zu machen?
AP: Meine erste Arbeitsstelle war in Berlin, noch in der DDR, an der Akademie der Wissenschaften am Zentralinstitut für Literaturgeschichte. Meine Kollegin, Mentorin und auch Doktormutter, Frau Dr. Eva Behring, hat mich schon sehr zeitig mit Übersetzungsaufgaben betraut. Sie hat zahlreiche Anthologien zur rumänischen Literatur herausgegeben, und da waren kurze Prosastücke zu übersetzen. Da habe ich z. B. schon Anfang der 80er-Jahre, denke ich, Marin Preda zum Beispiel übersetzt. Und wenn auch meine Hauptaufgabe eher die Erforschung der rumänischen Literatur war und auch später die Lehre dazu, habe ich doch im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit eigentlich auch immer nebenbei übersetzt. Eher kleinere Sachen, literarische Prosa, auch mal Interlinearübersetzungen von Gedichten, auch Sachliteratur. Aber die Prosa hat mir auch immer sehr viel Freude gemacht. Und ich habe auch gemerkt, dass man im Laufe der Zeit so das richtige Feeling bekommt und das Gespür dafür. Und das hat mir eigentlich immer sehr viel Spaß gemacht, sodass ich auch in den letzten Jahren Gabriela Adameșteanu übersetzt habe, Mircea Cărtărescu, Nora Iuga, Lavinia Braniște und so weiter.
ED: Und von diesen aufgezählten Autoren sind die meisten, … eigentlich fast alle, unserer „Spiegelungen“-Leserschaft auch bekannt, weil wir immer wieder Übersetzungen von Ihnen bei uns veröffentlichen.
Wenn ich richtig informiert bin, sind Sie nicht im muttersprachlichen Kontext, oder sind nicht im rumänischen Kontext, aufgewachsen.
AP: [lacht] Nein, richtig.
ED: Und da würde mich sehr interessieren, wie Sie das bei Übersetzungen erlebt haben. Inwieweit war das für Sie ein Nachteil oder ein Vorteil? Inwieweit war das Ihnen bewusst? Also hat das einen Unterschied ausgemacht? Wie haben Sie das erlebt?
AP: Ja, das ist natürlich schwer zu sagen. Ich bin tatsächlich jemand … Ich bin Berlinerin und habe tatsächlich gar keinen biografischen Bezug zu Rumänien und bin eher zufällig auch zum Rumänistikstudium gekommen und musste mir die rumänische Sprache auch sehr mühsam erarbeiten und das war nicht so einfach. Und ja, das hat auch immer damit zu tun, wenn man sehr viele Möglichkeiten hat, sich mit der rumänischen Sprache zu beschäftigen – ich habe zwischendurch auch mal etwas Abstand genommen von Rumänien. Ich habe etwas anderes gemacht in der Forschung und dann merkte man natürlich, dann schwächelt man auch wieder mit den rumänischen Sprachkenntnissen. Aber das Passive und das Lesen und das Übersetzen, das gehört ja quasi zum täglichen Brot, wenn man sich mit Rumänien beschäftigt. Und insofern war gerade das Übersetzen mir auch eine sehr angenehme und wichtige Tätigkeit, die sich natürlich weniger aus dem Praktischen als vielmehr, sehr viel mit Wörterbucharbeit und mit Lesen verbunden war um so, sagen wir mal, das Gefühl für die rumänische Sprache zu entwickeln.
ED: Also die Frage hat den Hintergrund, dass ich im mehrsprachigen Kontext aufgewachsen bin, und ich bilde mir immer ein – aber das ist vielleicht nur eine Einbildung – ich bilde mir immer ein, dass die Leute, die die Sprache nicht im muttersprachlichen Kontext lernen, oft bewusster mit der Sprache umgehen. Deswegen war die Frage, wie Sie das erleben, ob man da einfach die Sprache anders genießt, einen anderen Zugang hat, dass man sensibler ist für gewisse Sachen, die für einen Muttersprachler oder jemanden, der im muttersprachlichen Kontext lebt, weniger bewusst sind. Aber wie gesagt, also diese Frage hat einen sehr persönlichen Hintergrund.
AP: Ja, das kann man natürlich … Da ich mich nicht in Sie hineinversetzen kann, ist es natürlich schwierig für mich, aber ich weiß zum Beispiel von Schriftstellern, zum Beispiel Carmen-Francesca Banciu, die ja Rumänin ist und deutsch ihre Prosa schreibt, dass sie sagt, dass sie sehr bewusst mit dieser Fremdsprache umgeht und da ein ganz … Ja, die sie sich später, in späteren Jahren erst angeeignet hat. Und insofern könnte ich mir schon vorstellen, dass man da nicht so selbstverständlich an das Rumänische herangeht, sondern dass ich mir das alles wirklich sehr erarbeitet habe.
ED: Ja, und wir kommen dann zu unserem Anlass, weswegen wir sprechen, zum Roman von Herrn Serebrian. Mich würde zunächst interessieren, wie Sie zu dieser Übersetzung kamen. Also, wann kam die Idee auf und wie hat sich das ergeben?
AP: Also im Jahr 2018 war ich auf der Leipziger Buchmesse. Wir haben damals mit Daniela Duca und Valeriu Stancu zusammen unsere Anthologie vorgestellt, „Das Leben wie ein Tortenboden. Neue Rumänische Prosa“. Die Texte hatten wir zuvor in einem Workshop mit jungen Studierenden und jungen Erwachsenen, Laienübersetzern, übersetzt. Und da wurde ich von Professor Klaus Bochmann und auch von Oleg Serebrian angesprochen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, diesen Roman zu übersetzen. Ich war da zuerst nicht so sehr begeistert, denn erstens war es ein sehr dickes Buch. Und ich traute mir das auch ehrlich gesagt nicht zu, denn bis dato hatte ich immer nur kürzere Texte übersetzt, das ist ja auch eine Zeitfrage, weil man dann wirklich …, also viele Monate an so einem dicken Buch arbeitet. Dann war es ein historischer Roman und ich war eher mit der rumänischen Gegenwartsliteratur befasst und mit den Gegenwartsproblemen in Rumänien. Und der Roman spielt ja auch in Czernowitz… Und sie ließen aber nicht locker und baten mich doch sehr inständig. Und da habe ich zugesagt und wir haben erst versucht, eine Förderung zu bekommen. 2019 hatte das Moldauer Institut in Leipzig ein ganzes Paket moldauischer Literatur für die Förderung vorgeschlagen, also beantragt. Und das hat aber leider nicht funktioniert.
Erst 2021 hat der Deutsche Übersetzerfonds in diesem Förderprogramm „extensiv initiativ“ meinen Antrag – oder unseren Antrag auf Förderung der Übersetzung dieses Buches erfolgreich beschieden, sodass ich im April 2021 dann die Zusage für die Förderung bekommen habe. Zuvor hatte ich aber schon Probeübersetzung gemacht, die ersten ein, zwei Kapitel, und hatte sie auch Oleg Serebrian, der ja auch sehr gut Deutsch spricht, vorgelegt. Und er war zufrieden mit der Übersetzung und so konnte ich dann starten und habe dann so ein gutes Jahr sehr intensiv an der Übersetzung gearbeitet.
ED: Sie haben gesagt, Sie waren am Anfang ein bisschen zurückhaltend. Was hat Sie denn dann dennoch überzeugt, außer natürlich der wiederholten Anfrage? Also, welcher Punkt im Text oder welche Eigenschaften des Textes waren es, die sie dann doch überzeugt haben?
AP: Also, zunächst mal habe ich gedacht: Okay, ein historischer Roman mit diesem Sujet, also Einmarsch der Roten Armee in der Nordbukowina und in Czernowitz. Da dachte ich mir, ja, das sollte man auch nicht vergessen, das ist auch wichtig, dass man das so in Erinnerung behält. Da konnte ich noch nicht ahnen, welche ungeahnte Aktualität dieses Buch im Februar, März, als ich gerade die Übersetzung beendet hatte, bekommen sollte. Und ich muss sagen, da ist es mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen, als ich feststellte, dass sich bestimmte historische Situationen in der ein oder anderen Art wiederholen. Und da wusste ich genau, dass es sehr wichtig ist, dass dieser Roman in die deutsche Sprache übersetzt wird und erscheinen wird.
Hinzu kommt, muss ich sagen, dass der Roman mich natürlich gefesselt hat. Also, er ist einfach sehr gut geschrieben, er gibt ein wunderbares Lokalkolorit wieder, die Personen sind sehr gut charakterisiert, es ist eine spannende Handlung. Es gibt lyrische Passagen, man erfährt sehr viel über die Historie, was leider dazu führte, dass ich in dem Roman auch sehr, sehr viele Fußnoten machen musste, was eigentlich für Prosa nicht so günstig ist. Aber da man auch sehr viel vom historischen Hintergrund erklären musste, war es einfach notwendig. Und das Feedback, das ich von Bekannten bekommen habe, die dann die Übersetzung gelesen haben …, die meinten auch, nein, das wäre schon wichtig gewesen, weil man wirklich ahnungslos ist, was sich dort historisch abgespielt hat in diesem Raum.
ED: Diesen Punkt haben wir auch mit Herrn Serebrian besprochen. Es ist nämlich so, dass eigentlich das Thema, das er anspricht und die Zeitspanne, die da behandelt wird, eine Zeitspanne ist, die in der rumänischen Literatur auch eine Zeit lang im Hintergrund war. In den letzten Jahren, oder im letzten Jahrzehnt, gibt es vermehrt Bücher, die dieses Thema dann auch in der rumänischen Literatur thematisieren und das auch bewusst machen. Aber in Deutschland ist Czernowitz eigentlich ein sehr bekannter literarischer Topos. Weniger bekannt in Deutschland, würde ich mal behaupten, ist diese rumänische Phase oder auch das Ende der rumänischen Phase. Deswegen fand ich das auch so schön, dass das Buch ins Deutsche übertragen wurde, weil in Rumänien es eine Zeit lang aus politischen Gründen auch nicht thematisiert wurde. Und gerade auch unter anderem mit den Büchern von Herrn Serebrian löste das auch eine gewisse Debatte aus in rumänischen Kreisen. Da wurde das Buch ausgezeichnet, wie wir im ersten Teil des Podcasts ausgeführt haben. Mich würde auch sehr interessieren, weil Sie auch erwähnt haben, dass Herr Serebrian ja sehr gut Deutsch spricht: Wie gestaltet sich dann die Zusammenarbeit? Wie muss man sich das vorstellen? Von ihm haben wir gehört, dass Sie schon zusammengearbeitet haben, aber wir haben nicht die Einzelheiten besprochen. Wie sah das in der Praxis aus?
AP: Es war eigentlich ganz problemlos. Die Dialoge zum Beispiel, die die Figuren dort miteinander führten, waren sehr natürlich, sodass ich manchmal beim Übersetzen schon ahnte oder wusste, was die Figuren als nächstes sagen würden. Das war sehr leicht für mich.
Aber es gab schon verschiedene Schwierigkeiten, die sich aus dem Gegenstand ergaben. Zum Beispiel bin ich nicht so sehr bewandert in den Besonderheiten der griechisch-orthodoxen Religion und der Kirchenbauten. Da hatte ich einige Fragen an ihn. Und auch die örtlichen Gegebenheiten in Czernowitz …, da habe ich einiges nachgefragt. Ich habe allerdings auch einen Abgleich vorgenommen mit historischen Fotos oder Stadtplänen, weil in dem Roman auch Wege der Figuren beschrieben werden. Die habe ich mir dann sozusagen vergegenwärtigt. Wir haben uns E-Mails geschrieben und ich habe meine Fragen an ihn gerichtet. Er hat mir umgehend geantwortet und das war gar kein Problem.
ED: Sie haben gesagt, dass Sie die Übersetzung intuitiv machen konnten. Es waren die kleinen Einzelheiten, die eher Schwierigkeiten verursachten. Was waren die schwierigsten Aufgaben, die zu lösen waren? Wie erinnern Sie sich daran?
AP: Ja, also zum Beispiel in Bezug auf die Kirche, da kam zum Beispiel der Begriff Mardocheo Iudeo. Da wusste ich nichts damit anzufangen. Und habe dann aber herausbekommen, dass das Mordechai ist, eine Person aus dem biblischen Buch Esther. Das hat mich schon ein bisschen Zeit gekostet. Wie überhaupt …, ja oder zum Beispiel „Ambonen“. Da wusste ich auch nicht, was das sind. Das ist „Ambo“, das ist eine kleine Erhöhung in der Kirche, von der der Priester das Evangelium liest. Das war mir also auch nicht klar. Und schwieriger war allerdings … mein Problem … Ich habe das irgendwie rausbekommen, aber es war ziemlich zeitaufwendig. Weil im Roman, im Rumänischen, wurden alle geografischen Namen auf Rumänisch geschrieben. Und wenn man dann bei Google Maps zum Beispiel guckt, findet man aber keine rumänischen Bezeichnungen. Und auch wenn man das im Internet eingibt, man findet mitunter keine Entsprechung. Dann habe ich sehr genau gesucht, wo dieser Ort zum Beispiel liegen könnte, wie er jetzt bezeichnet wird. Es ist so, dadurch dass diese Regionen sich in wechselnder Staatszugehörigkeit befanden, zunächst mal als Kronland zu Österreich-Ungarn, dann später zu Rumänien, gab es mitunter vier verschiedene Bezeichnungen für ein Dorf, für einen Ort zum Beispiel. Rumänisch, Deutsch, Ukrainisch, Russisch, Polnisch. Auch zum Beispiel der Fluss, der Nistru, das ist eben der Nistru und nicht der Dnestr, wie es auf Russisch heißt. Und da habe ich mich doch bemüht, sehr darauf zu achten, dass ich dann auch die ukrainische Bezeichnung gewählt habe.
Aber man muss berücksichtigen, dass zum Beispiel die Figuren im Buch ganz komplizierte ethnische Herkünfte haben. Also sie sind … Zum Beispiel die Hauptfigur, Marta, die ist zu drei Viertel deutsch und ein Viertel rumänisch. Ihr Mann, Filip, der orthodoxe Priester, da ist die Mutter Rumänin, der Vater ist Huzule, das ist also ein Ruthene. Und die Figuren im Buch haben auch unterschiedlich gesprochen. Sie haben Deutsch miteinander gesprochen, Rumänisch, Ukrainisch, sogar Polnisch. Und da habe ich versucht, dann auch die geografischen Bezeichnungen entsprechend anzupassen und dann auch wirklich die zutreffende Bezeichnung zu wählen. Und das hat mir schon einiges Kopfzerbrechen bereitet. Ich habe überlegt, ob ich die Namen … Da kommt zum Beispiel ein Herr Grigore Șvevț vor. „Schwätz“ ist eigentlich ein deutscher Name, aber er wird rumänisch geschrieben mit den Sonderzeichen. Und erst wollte ich das alles eindeutschen und dann dachte, nein, das lässt du rumänisch, weil die Figuren über mehrere Jahrzehnte auch in Rumänien gelebt haben. Es war rumänisch von 1918 bis mit Unterbrechung, bis 1944.
Und da hätte man vielleicht auch manches anders entscheiden können. Das ist sicherlich dann auch eine Frage, wie man als Übersetzer da herangeht. Aber ja, das war eine spannende Sache, muss ich sagen. Und das hat mir auch sehr die Augen geöffnet für diese ganz komplizierte Geschichte dort in dieser Gegend.
ED: Ja, das ist für den ostkakanischen [17:08] Raum der Normalfall, dass die ethnische Zusammensetzung mindestens vierschichtig ist und sicherlich nicht nur zweischichtig. Also das gehört zum Charme der Region und des ehemaligen Kronlandes. Wie Sie beschrieben haben, da kann man sehr gut sehen, dass Sie durchaus Ihre wissenschaftliche Ader, sozusagen, in diesem Fall sehr gebraucht haben für die Recherchearbeit. Wir haben mit Herrn Serebrian auch darüber gesprochen, dass er sehr viel recherchiert hat. Und dieses historische Wissen, das natürlich literarisch aufgearbeitet wird, wird dann an ein deutsches Publikum herangetragen. Wie hat das deutsche Publikum dieses Buch denn aufgenommen?
AP: Also in meinem Bekanntenkreis, wo ich das natürlich rumgereicht habe und empfohlen habe, war eigentlich die Reaktion sehr einhellig, dass alle sehr begeistert waren von dieser historischen Genauigkeit, dass sie viele Dinge erfahren haben, die ihnen vollkommen unbekannt waren, wobei da auch wirklich Leute drunter sind, die schon ein bisschen Ahnung haben, auch von der Region. Und auch sie haben gesagt, also es waren so viele Sachen dort, die wir also nicht wussten und die hier bei uns in unserer deutschen Kultur sehr unbekannt sind, dabei ist es ja geografisch gar nicht weit weg. Eine sehr nette Reaktion hatte ich von einer Leserin, deren Großmutter aus Czernowitz stammt und sie sagte mir, dieser besagte Grigore Schwetz, der im Buch ein Arzt ist, der Arzt der Familie, sie meinte, ihre Großmutter hätte tatsächlich von so einem Menschen erzählt, der dort Arzt war. Und er wird dort sehr speziell beschrieben im Roman, der immer etwas extravagante Kleidung trägt, aber ein guter Freund der Familie ist und sie meinte: „Meine Oma hat genau von diesem Menschen erzählt, den muss es wirklich gegeben haben.“ Und Herr Serebrian hat mir das ja auch bestätigt, dass er in Archiven gearbeitet hat und nicht nur das Historische sehr gut nachvollzogen hat, sondern wie wir hier da an diesem Beispiel sehen, sogar bis in die einzelnen Figuren da Authentizität hat walten lassen.
ED: Ja, und das dann atmosphärisch auch sehr gut dann rüberkommt.
Abschließend würde ich noch gerne die Frage stellen, ob Sie an weiteren Übersetzungen aktuell arbeiten bzw. ob Sie planen, die anderen Teile der Trilogie auch ins Deutsche zu übersetzen.
AP: Ja, da hatte ich mit Herrn Serebrian gesprochen, denn er hat ja noch zwei weitere Bücher geschrieben, aber er meinte, das hätte er jetzt nicht vorgesehen, dass die Bücher auch ins Deutsche übersetzt werden, Gründe hat er nicht genannt.
ED: Aus dem ersten Teil des Gespräches gingen sie zumindest teilweise hervor – nur als kurzer Hinweis.
AP: Ja, also er hat das jetzt nicht, sagen wir mal … die Absicht nicht erklärt, dass das übersetzt werden soll.
ED: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Gespräch und die Einblicke in Ihre Übersetzungswerkstatt und ich hoffe, dass wir dann bei einem anderen Buch die Gelegenheit haben, das Gespräch dann fortzusetzen.
AP: Das würde mich freuen. Ich bedanke mich auch für dieses Gespräch. Auf Wiederhören.