In dieser Folge von „Spot on“ entdecken Sie die Schriftstellerin und Illustratorin Hermine Hanel, die 1874 im kulturell vielfältigen Prag geboren wurde. Trotz persönlicher Herausforderungen und einer unglücklichen ersten Ehe, schuf sie etwa im Münchner Roman „Eva“ eine emanzipierte Protagonistin und schrieb und illustrierte bezaubernde Kinderbücher.

Hermine Hanel zog in ihrem Leben mehrmals um, bis sie schließlich nach München kam, um sich zur Zeichnerin ausbilden zu lassen – und sich damit einen langgehegten Kindheitstraum erfüllte. Sie war in der Künstlerszene bekannt und Mitbegründerin des Münchner Künstlervereins „Die Kuh“. Ihr Freundeskreis diente ihr als Inspiration, so war sie etwa mit dem österreichischen Politiker Johann Chlumecký oder dem Maler Franz Lenbach bekannt.

Trotz widriger Umstände war sie stets schriftstellerisch tätig, besonders hervorzuheben ist ihr Einsatz für die Frauenemanzipation, etwa in ihrer Kolumne „Los vom Fischbein“ im „Prager Tagblatt“, deren Titel auf das aus Fischbein gefertigte Korsett anspielt. In ihrer Autobiografie „Die Geschichte meiner Jugend“ (1930) beschreibt sie sich als eine der ersten Radfahrerinnen in Prag, wo sie die Mode der Pumphosen durchsetzen wollte.

Das Video gibt einen Einblick in ihren Zeichenstil, durch den sie ihre fantasievollen Kindergeschichten zum Leben erweckt. So tanzen in „Tonis Abenteuer im Englischen Garten“ (1926) Hirschkäfer mit Glockenblumenelfen in der Johannisnacht unter dem Monopteros, um die Sonnenwende zu feiern (S. 30). Abschließend wird ein Textausschnitt eingeblendet, als der (Wiesen-)König mit seinem Lilienzepter zur Sonnwendfeier singt:

„Sonnwendfeier, Mitternacht,
Mondlicht über Berg und Tal.
Blumenelfen, auf, erwacht,
Kommt zu eures Königs Ball!
Öffnet euer Blumenhaus,
Euer König lädt euch ein
Heute Nacht zu Spiel und Schmaus.
Alle sollen fröhlich sein!

Tanzt und schwebt im holden Reigen,
Lieblich um des Herrschers Thron.
Nimmer dürfet ihr euch zeigen,
Elfen, einem Menschensohn!
Naht Gefahr, flieht hintern Busch,
In die Hecken – husch – husch – husch!“ (S. 33)

Im Jahr 1933 wurde ihr aufgrund ihrer jüdischen Herkunft mütterlicherseits die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer verwehrt. Deshalb schrieb sie nur noch im Geheimen Kommentare über ihre Gegenwart. Über den Zeitraum bis zu ihrem Tod wissen wir leider nichts mehr über ihr Leben und Schaffen.

Sie starb 1944 bei einem alliierten Luftangriff auf München. Trotz ihres großen Bekanntenkreises geriet Hermine Hanel in Vergessenheit. An sie erinnert etwa die „Lesezeit“ des Jüdischen Museum Berlin: https://www.jmberlin.de/video-lesezeit-evas-abenteuer-hermine-hanel.

Bilder:
Hermine Hanel: „Die Geschichte meiner Jugend“ (1930)
© Damenfahrradkostüm (um 1895): Creative-Commons – Wuselig (2016)

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