Neueste Beiträge:
Wohltemperierte Unwägbarkeiten | Nichita Danilov: Die blinden Adler. Gedichte | Besprechung
Nichita Danilov ist einer der bedeutenden Lyriker der sogenannten 80er-Generation in Rumänien, einer Literatengruppe, zu der unter anderen auch Mircea Cărtărescu zählt. Doch ist Danilov nicht wie sein international gefeierter Kollege ein Hauptstädter, sondern stammt aus der Grenzregion Nordrumäniens und der heutigen Republik Moldau. Laut Nachwort seines Übersetzers und Kollegen Jan Koneffke zeigt sich diese Herkunft im Wesen des danilovschen Schreibens; er ist „Lipowaner“ und ein Mann des Dazwischen: zwischen Russland und Rumänien, Ruralität und Akademie, Glaube und Skepsis…
Da capo al fine | László Végel: Balkanschönheit oder Schlemihls Bastard | Besprechung
Lang ist es her, seit der eine oder andere Schlemihl der Literaturszene Rätsel aufgab! Nun ist endlich wieder einer da. Skurril auch er. Ein Eigenbrötler, der mit einer positiven Lebenseinstellung überrascht: „Ich bin glücklich, solange ich überflüssig bin. Ich sitze in der Werkstatt, was ich von Großvater gelernt habe, können sie mir nicht nehmen, ich habe von allem Ahnung, bin ein Universalhandwerker, ich repariere Fahrräder, Bügeleisen, Tiefkühlschränke, ich verrichte meine Arbeit, sollen sie doch ruhig über mich verbreiten, dass ich ein Hanswurst und Taugenichts bin […] sollen sie sich nur das Maul zerreißen“. (S. 155)
Umbrüche in der (post)sowjetischen Moldau | Tatiana Ţîbuleac: Der Garten aus Glas | Besprechung
Die Schriftstellerin Tatiana Țîbuleac wurde 1978 in der Hauptstadt der Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik Kischinau (rum. Chișinău, russ. Кишинёв) geboren. An der Moldauischen Staatlichen Universität ihrer Heimatstadt studierte sie Journalismus und Kommunikationswissenschaften. Mitte der 1990er-Jahre wurde sie in der Moldau durch ihre Kolumne „Povești adevărate“ [Wahre Geschichten] in der Tageszeitung Flux einem größeren Lesepublikum bekannt. Ende der 1990er-Jahre begann Țîbuleac als Reporterin und Nachrichtenmoderatorin bei einem privaten moldauischen Sender zu arbeiten. Seit 2008 lebt sie in Paris, wo sie im audiovisuellen Bereich tätig ist.
Familienroman mit Tiefgang | Wolfgang Martin Roth: Die Schuhe der Väter | Besprechung
2023 erschien der Roman „Die Schuhe der Väter“ des Göttinger Autors Wolfgang Martin Roth. Der ehemalige Pfarrer und heutige Gruppenanalytiker stellt in seinem Werk eine unruhige Kindheit, geprägt von Gewalt, unbeantworteten Fragen über die eigenen Vorfahren, und die Suche nach dem eigenen Platz in der Gesellschaft und im Leben dar. Auf dieser fesselnden Reise werden mehrere Figuren vorgestellt, deren Leben unerwartet miteinander verflochten sind, sowie ihre einzigartige Art und Weise, mit Traumata und Verlusten umzugehen.
Im Archiv der Abertausenden Bilder | Dana Ranga: Stop – Die Pausen des Sisyphos | Besprechung
Dana Ranga ist Lyrikleserinnen und -lesern in Deutschland bislang mit drei Gedichtbänden bekannt: 2011 erschien „Wasserbuch“, 2016 Hauthaus im Suhrkamp Verlag, 2020 „Cosmos!“ bei Matthes & Seitz. Derselbe Verlag veröffentlichte im Frühjahr 2023 mit „Stop – Die Pausen des Sisyphos“ Rangas ersten, 2005 auf Rumänisch publizierten Gedichtband in einer Übersetzung von Ernest Wichner. Das Rumänische ist die Vatersprache der 1964 in Bukarest geborenen Autorin, das Deutsche (ihre Mutter stammte aus der DDR) die Muttersprache. Und es ist die Sprache der von der Familie mit der Umsiedlung 1978 gewählten Heimat.
Die Moderne lebt | Zsuzsanna Gahse: Zeilenweise Frauenfeld | Besprechung
Geboren wurde Zsuzsanna Gahse in Budapest. Nach den Ereignissen von 1956 emigrierte ihre Familie nach Wien. Fortan bewegte sie sich in einer deutschsprachigen Welt, zu der man bekanntlich auch das Wienerische rechnet. In einem Interview hat sie das so beschrieben: „Ein unvergessliches Erlebnis war es, ins Deutsche vorzupreschen. Wie in eine Wolke ging ich in die Sprache hinein, und diese Wolke riss immer mehr auf, und dann konnte ich in der neuen Sprache frei herumspazieren. Unvergesslich ist das Gefühl dieser Unabhängigkeit, nach etwa einem halben Jahr. Aber das Aufreissen der Wolken hört nie auf. Ganz gleich, wie gut man eine Sprache kennt. Auch über meine zehn chinesischen und die fünfzig russischen Wörter bin ich glücklich. Sprachen sind Ausdrucksmöglichkeiten. Jede einzelne Sprache ist eine Möglichkeit“.
Dämonen der Vergangenheit: Verständnissuche und Selbsterkenntnis | Peter Becher: Unter dem Steinernen Meer | Besprechung
Im Prager Vitalis Verlag ist in deutschsprachiger Originalversion ein Roman erschienen, der von seinem literarischen Gewicht her, markant aber auch durch Thema und Aussage, Beachtung verdient. Der Verfasser Peter Becher hat langjährig den Münchner Adalbert-Stifter-Verein geleitet und eine gut lesbare Stifter-Biographie (2005, 2017, tschechisch 2019) verfasst. Wiederholt ist er mit Essay- und Feuilleton-Sammlungen sowie historischen und literaturgeschichtlichen Studien zur deutsch-tschechischen Spuren- und Verständigungssuche hervorgetreten.
,,Wenn ich hierher zurückkomme, dann überfällt mich das Gedächtnis der Heimaterde.“ | Gabriela Adameșteanu: Der Trevi-Brunnen | Besprechung
Gabriela Adameșteanu ist eine der wichtigsten rumänischen Autorinnen der Gegenwart, die sich in ihren Texten immer wieder an die Traumata der rumänischen Geschichte des 20. Jahrhunderts heranwagt.
,,Solo für Petronom mit Akkompagnement von Paoloncello“ | Petre Solomon: Paul Celan – Die rumänische Dimension | Besprechung
Die Veröffentlichung einer deutschen Übersetzung von Petre Solomons auf Rumänisch verfassten Memoiren „Paul Celan – Die rumänische Dimension“ war längst überfällig – es ist die ausgezeichnete Übersetzung von Maria Herlo und erscheint nach der französischen, spanischen, italienischen und englischen.
In Bewegung | Elisabeth Schneider: Nach dem Wassertag | Besprechung
Eine Zugfahrt von Bosnien nach Deutschland ist auch heute lang. Unvorstellbar lang muss sie Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein, als Bosnien zu Österreich-Ungarn gehörte und die Lokomotive schrille, durchdringende Pfeiftöne von sich gab.
Herzwort und Kopfwort | Herta Müller: Eine Fliege kommt durch einen halben Wald | Besprechung
Der schmale Band macht zehn Texte aus den Jahren 2002‒2022 zugänglich, die in unterschiedlichen Anteilen essayistisch-reflektierende und literarisch-erzählerische Abschnitte verflechten. Darunter sind sechs Reden, die zu diversen Anlässen gehalten wurden, unter anderem zur Verleihung des Heinrich-Böll-Preises (2015), zur Verleihung des Preises für Toleranz und Menschrechte des Jüdischen Museums Berlin (2022) und zur Aufnahme in den Orden Pour le mérite (2022). Den Abschluss bildet ein als „Monolog“ eingeordneter Text. In den verbleibenden drei Fällen fehlen explizite Gattungszuweisungen. Einen auf den ersten Blick offenkundigen roten Faden liefern also weder die Gattungen noch die Inhalte.
Vom Alföd sieht man weiter | Esther Kinsky: Weiter Sehen | Besprechung
Seit es das Kino gibt, hat es zahlreiche Schriftsteller fasziniert, überall auf der Welt. Der amerikanische Autor Walker Percy hat diese Faszination in seinem Klassiker „The Moviegoer“(1960) einzufangen versucht – ein Buch, das Peter Handke ins Deutsche übertragen und „Der Kinogeher“ betitelt hat. Das umfangreiche Werk des Pariser Nobelpreisträgers aus Kärnten ist geradezu übervoll an Reminiszenzen ans Kino, und viele literarische Bücher von Autoren seiner Generation wären wohl ohne Film und Kino kaum zustande gekommen. Was ist das Faszinierende, Einmalige, Unverwechselbare am Kino? Worin besteht das Geheimnis eines Filmpalasts? Und was heißt eigentlich „sehen lernen“? Was bedeutet „weiter sehen“?
Beiträge unserer Autor:innen zum Lesen, Sehen und Hören.

Unser Blog Zwischen Grenzen macht auf verschiedene Aspekte der Grenzen im zentral- und südosteuropäischen Raum aufmerksam. Die kulturelle, religiöse und politische Geschichte der Regionen wirkt sich auch auf das heutige Leben aus – ist aber vielleicht gar nicht mehr so sichtbar.

